Jahresbericht 2020

Jahresbericht

2020

Vorwort

Liebe Freunde,

dieser Jahresbericht entsteht inmitten einer andauernden Pandemie. Die letzten Monate haben uns auf verschiedenste Weisen herausgefordert. Aber Herausforderungen bringen Wachstum und neue Gelegenheiten, unsere Welt durch positive Veränderungen zu beeinflussen.


Wir schrieben unser sechstes Jahr bei Pink Door, in dem wir sexuell ausgebeuteten Frauen und deren Kindern behilflich sein konnten. Wir haben Seite an Seite mit Frauen gestanden, denen ihre Würde abgesprochen wurde und die oft übergangen und an den Rand gedrängt werden. Wir verschreiben uns der Beendigung des destruktiven, generationenübergreifenden und gesellschaftlichen Traumas der sexuellen Ausbeutung.


Im Laufe des Jahres 2020 wurde klar, dass Pink Door Frauen, die sich in Berlin in Zwangsprostitution befinden, durch einen höheren Fokus auf ambulante Betreuung behilflich sein konnte. Wir konnten nicht ahnen, dass sich eine Pandemie über die Erde ausbreiten und die Situation von Frauen in Prostitution in Deutschland drastisch verändern würde. Wir stellten uns auf den Zustrom von Frauen ein, die emotionale Unterstützung und praktische Hilfe brauchten, z.B. beim Finden von Schlafplätzen, bei der Beantragung staatlicher Dienstleistungen zur Erfüllung grundlegender Bedürfnisse sowie Fahrkarten, beruflicher Integration etc.


Wir setzten die Renovierungen unseres neuen Projekts, Pink Door Country, fort. Hier werden wir unverzügliche vorübergehende Unterbringung sowie einen Ort des Friedens und der Zuflucht für Frauen und ihre Kinder anbieten. Wir werden diesen ländlichen Rückzugsort 2021 eröffnen.


Wir sehen uns weiter verpflichtet, mutige Frauen zu begleiten, die es wagen, die lange und schwierige Reise anzutreten, ein neues Kapitel in ihrer Lebensgeschichte zu schreiben. Danke, dass ihr an unserer Seite steht!


Rhonda Philips

Vorsitzende

,,Ich war die meiste Zeit in meinem Leben alleine. Ich habe mir in der Zeit gewünscht, mit jemandem zu reden, um Hoffnung zu bekommen. Das habe ich bei Pink Door gefunden."                                                       - Zitat einer Klientin


Fallmanagement

Allgemein

Das Jahr 2020 verursacht noch mehr Herausforderungen und Verzweiflung für Frauen in der Zwangsprostitution in Berlin. Ihre Probleme sind sowieso schon vielschichtig und komplex. Unsere Sozialarbeiterinnen unterstützten und begleiteten die Frauen bei Themen wie Wohnungssuche, Schwangerschaft, Arbeitssuche und Vorstellungsgespräche, Jobvorbereitung, Krankenversicherung, Anträge auf Sozialleistungen, Arztbesuche, Einreichen von Meldungen bei der Polizei, Zielsetzungen und vieles mehr! Der Aufbau eines neuen Lebens und neuer Lebensperspektiven braucht Zeit und ist ein Weg mit Höhen und Tiefen, welcher viel Mut und Durchhaltevermögen benötigt.




Rückblick 2020

In der ersten Hälfte des Jahres wurden die Kursangebote von den bisherigen Sozialarbeiterinnen zwar weiterhin angeboten, aber aufgrund der Pandemie angepasst. Die Teilnahme an Kursen war nicht mehr fester Bestandteil des Beratungsangebots. Stattdessen wurden die Kurse individualisiert und die Frauen konnten entscheiden, welche Kurse sie persönlich weiterhin in Anspruch nehmen möchten. Es fand ein regulärer Nähkurs und mehrere Kurse zu Jobsuche und Jobvorbereitung statt. Außerdem wurde regelmäßig psychosoziale Beratung in Einzelgesprächen durchgeführt.

 

Zudem nutzten wir bei Pink Door die eingeschränkte Zeit der Pandemie um zwei Kurshandbücher zu entwickeln. Eines zur Psychoedukation und ein Weiteres zum Thema Umgang mit Gefühlen. Diese können zukünftig auch mit anderen Organisationen geteilt werden. 

 

In der zweiten Hälfte des Jahres verschob sich der Fokus aufgrund der anhaltenden Pandemierestriktionen noch stärker auf die individuelle Beratung. Daher wurden vorerst keine Kurse angeboten und sowohl Psychoedukation, als auch Jobberatung und -vorbereitung individuell im Rahmen der Einzelberatung durchgeführt. 


Der Lockdown bedeutete für einige Frauen erhebliche Herausforderungen beim Thema Wohnen, da Einrichtungen weniger Schlafplätze anbieten konnten und die Wohnungssuche nach wie vor schwer ist. Der Lockdown erschwerte auch die ambulante Beratung.

 

Einige der Frauen hatten Pläne über die Weihnachtszeit nach Hause zu fahren, was viel Planung und Beratung erforderte und bei manchen schließlich doch nicht möglich war. Bei einer Klientin entstanden im Ausland bei ihrer Familie einige starke Gefahrensituationen, in denen wir sie aufgrund der Distanz und der rechtlichen Lage nur schwer aus der Ferne unterstützen konnten.


Außerdem zwang uns die Pandemie dazu, unser soziales Hilfsnetzwerk zu erweitern. Neue Kooperationen und Kontakte wurden durch die individuellen Bedürfnisse der Klientinnen, verursacht durch die Pandemie, aufgebaut.


Ein paar Highlights im zweiten Halbjahr waren...

  • das Angebot eines Social Media Kurses. Eine Klientin zeigte großes Potenzial und Interesse im Bereich Medien und Gestaltung. Durch ein Einstiegstraining online durch die derzeitige Social Media Praktikantin, konnten das Interesse und die Kompetenzen der Frau unterstützt und sie in das Pink Door-Social Media Team aufgenommen werden.
  • Eine Klientin zeigte ihren gewalttätigen Zuhälter beim LKA an. Das wurde sehr ernst genommen und hat die Frau sehr bestärkt, weiterhin für ihre Rechte einzustehen und nach Lösungen zu suchen.

Zitat einer Klientin

,,Solche unterstützenden Menschen zu kennen, wie man sie bei Pink Door findet, gibt mir das Gefühl, nicht mehr allein zu sein."

Fallbeispiel 

Lara

Lara ist 30 und kommt aus einem kleinen Dorf in Rumänien. Sie kommt aus einer bildungsfernen Schicht und aus einem Land mit schlechten wirtschaftlichen Bedingungen. Ihre Eltern konnten sie aus finanziellen und persönlichen Gründen nicht bei der Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele unterstützen, sodass sie alleine für ihre Träume kämpfte und die meiste Zeit ihres Lebens für sich selbst sorgte. Durch ihren festen Freund kam sie irgendwann nach Deutschland.


In Deutschland angekommen arbeitete sie für ihren Freund als Prostituierte. Bald merkte sie jedoch, dass er auch andere Frauen hatte, die für ihn anschafften. In dieser Zeit lebte sie unter Anspannung und Angst, da sie versuchte, das eingenommene Geld vor ihm zu verstecken. Als sie ihm nicht mehr genug Geld abliefern konnte, wurde sie unter sehr schlechten Bedingungen in einem heruntergekommenen Club festgehalten. Durch eine Streetwork Organisation gelangte sie aus der Prostitution nach Berlin, wo sie nun in der Beratungsstelle von Pink Door begleitet wird.


Sie sagt, dass sie in den herausfordernden Zeiten ihres Lebens stets Hoffnung gesucht hat und weiterkämpfen wird, bis sich ihre Träume verwirklichen z.B. ein eigenes Geschäft führen.


Unterkunft

Allgemein

Ein wesentliches Hindernis für den Ausstieg von Frauen aus der Prostitution, insbesondere aus Osteuropa, ist die Wohnungssuche. Die Bereitstellung eines Wohnraums ist eine komplexe Herausforderung für Hilfsorganisationen wie Pink Door. Im Jahr 2020 haben wir uns auf unsere Netzwerkverbindungen verlassen, um diese Lücke zu schließen.  Wir sind flexibel und offen dafür, neue und kreative Wege auszuprobieren, um die sich ständig ändernden Bedürfnisse unserer Klienten zu erfüllen. 


 

Rückblick 2020

Ubergangswohnung in Berlin

Aufgrund unvorhergesehener Änderungen der Mietbedingungen unserer Übergangswohnung haben wir den Vertrag im April 2020 gekündigt. 

 

Pink Door Country

Eingebettet in eine friedliche deutsche Landschaft mit schöner, ruhiger Natur, ist der Standort Pink Door Country die perfekte erste Anlaufstelle für Frauen, die vor sexueller Ausbeutung fliehen. Hier haben sie die Zeit und den Raum, ihre nächsten Schritte mit einer Sozialarbeiterin zu besprechen und ihre Reise der Heilung und des Aufbaus eines neuen Lebens, frei von erzwungener Ausbeutung und Gewalt, zu beginnen.

 

Dieser Standort hat zwei Häuser; ein großes Haupthaus und ein kleines Häuschen. Im Garten stehen Obst- und Nussbäume. Die Umgebung bietet viele Möglichkeiten zum Wandern, Radfahren, Schwimmen und Erkunden. 

 

Die Renovierung des Haupthauses hat sich aufgrund der Pandemieeinschränkungen verzögert. Jedoch gehen die Arbeiten seit Oktober wieder voran. Wir gehen davon aus, dass das Haus im Mai 2021 für die Bewohnerinnen bereit sein wird. 

 

Das Konzept des Standorts Pink Door Country ist vielschichtig:

  • Unmittelbare, sichere Übergangsunterkunft für Frauen und ihre Kinder
  • Raum für die Abklärung von Bedürfnissen und Zielen mit einer Sozialarbeiterin
  • Rückzugsort für Organisationen, die unserer Zielgruppe dienen
  • Biologischer Gartenanbau 
  • Garten-Therapie
  • Seminarangebote für Frauen, die aus sexueller Ausbeutung kommen
  • Seminarangebote für Mitarbeiter und Organisationen, die mit gefährdeten Frauen in sexueller Ausbeutung arbeiten
  • Herstellung von Produkten, die im Pink Door Online-Shop verkauft werden


Pink Door Country

Team

Allgemein

Wie werden große Dinge vollbracht? Wie erreicht man außergewöhnliche Ergebnisse? Durch Teamarbeit! Die Arbeit im Team hat ihre Herausforderungen, aber wenn die Konstellation der Menschen stimmt, können außergewöhnliche Dinge geschehen. 




Rückblick 2020

2020 war ein Jahr der Veränderungen des Teams bei Pink Door. Unsere Programmleiterin ging Ende August in den Mutterschaftsurlaub und die beiden anderen Programmmitarbeiterinnen beendeten ihre Tätigkeit im Juli bzw. September. Wir nahmen uns Zeit, um die Bedürfnisse unserer Klientinnen genauer herauszufinden und unser Programm zu evaluieren, um festzustellen welche Veränderungen unseren Klientinnen besser dienen. Im September stellten wir zwei Sozialarbeiterinnen ein, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf der Fallarbeit, der Überarbeitung unseres Programms und dem Aufbau von Netzwerken zur Unterstützung dieses Programms lag.

 

Unser Personal für die Verwaltung ist gleichgeblieben: Verwaltungsleiter, Buchhalterin und Finanzleiter. Ihr Fokus im Jahr 2020 lag auf Prozessmanagement, Fundraising, Personalwesen und Digitalisierung. Wir hatten das Privileg, unsere erste Praktikantin im Bereich Verwaltung zu betreuen. Sie übernahm den Bereich soziale Medien und die Gestaltung von Marketingmaterialien und war eine tolle Ergänzung für unser Team!

 

Unser Team wurde durch Freiwillige in den Bereichen Recht, Übersetzung, Psychologie, Wirtschaft, Teamcoaching, Bau, Steuerberatung und IT-Sicherheit verstärkt. Wir sind sehr dankbar für die Menschen, die ihre Zeit und ihr Fachwissen zur Verfügung stellen, um Pink Door zu unterstützen.

 

Aufgrund der Pandemie wurden fast alle Schulungen für unsere Mitarbeiter*innen online durchgeführt. Wir haben an mehr als 25 Schulungen, Webinaren und Konferenzen in unseren jeweiligen Verantwortungsbereichen teilgenommen und uns hierdurch kontinuierlich verbessert.

Verwaltung


Allgemein

Die Verwaltung bei Pink Door bildet das Fundament, um bestmöglich unsere Vereinsziele verfolgen zu können.





Rückblick 2020

  • Die Förderung der Aktion Mensch geht nunmehr in das vierte und letzte Förderjahr. Der dritte Sachbericht wurde im Spätsommer erstellt und von der Aktion Mensch anerkannt. Daraufhin wurde die nächste Auszahlungsrate überwiesen.
  • Das Beratungsstipendium von „Startsocial“ wurde Anfang März beendet. Das Konzept für die Gründung eines Social Business inkl. Marktanalyse, Storyline, Finanzplan etc. wurde erstellt. Es bietet eine Möglichkeit, Frauen aus Prostitution und Zwangsprostitution langfristig in Arbeit zu bringen.
  • Mitte des Jahres hatten wir einige personelle Umbesetzungen. Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie mussten wir die wöchentlichen Arbeitsstunden im Bereich Programm kürzen. Insgesamt drei Mitarbeiterinnen haben uns verlassen. Hierfür wurden zwei neue Sozialarbeiterinnen eingestellt.
  • Auch im vergangenen Jahr konnten wir verschiedene Fortbildungen und Seminare zu Themen wie Digitalisierung, Kommunikation, Ehrenamt, Internetrecht, Online-Marketing, Prozessoptimierung, Content-Erstellung, Einfache Sprache, SGB II / XII, Eingliederungshilfe, Reizthema Gender besuchen.
  • Für den reibungslosen Wechsel unseres Vereinssitzes wurden die notwendigen Unterlagen und Papiere angefertigt.
  • Erneut wurden verschiedene Richtlinien, Handbücher und andere Dokumente überarbeitet.


Öffentlichkeitsarbeit/Fundraising

Bereits im Frühjahr haben wir wegen der Corona-Pandemie initiativ finanzielle Kürzungen vorgenommen, um aufgrund potentieller finanzieller Einbußen, das Bestehen von Pink Door nicht zu gefährden. Wir sind besonders dankbar für alle Einzel- und Dauerspender, die uns in dieser unsicheren Zeit weiterhin unterstützt haben.

Finanzen

In 2020 betrugen die Gesamteinnahmen von Pink Door 213.077,47€. Die Ausgaben lagen bei 195.082,04 €. Wir beenden unser 6. Jahr, in dem wir essentielle Dienste anbieten, die zur Heilung und Wiederherstellung sexuell ausgebeuteter Frauen beitragen, mit dem Gedanken an unsere treuen Partner, die unsere Arbeit überhaupt erst ermöglichen. Jede Ausgabe von Pink Door wird genau überprüft, um sicherzustellen, dass alle Spenden im vollsten Umfang genutzt werden, um Frauen auf ihrem Weg zum Ausstieg zu unterstützen.

Ausgaben

Einnahmen

Herausforderungen

  • Corona-Pandemie und die entsprechenden Auflagen für Kurse/Zusammenkünfte mit Frauen
  • personelle Umbesetzungen
  • Auswirkungen Corona-Pandemie in der Zusammenarbeit (Videokonferenzen, Home-Office) 
  • Unterhalten von zwei Standorten

Höhepunkte


  • neue Kurse mit Klientinnen: Nähen und soziale Medien
  • Ausflüge und das Feiern von Geburtstagen mit Klientinnen
  • Begleitung bei Jobeinstiegen von Klientinnen 
  • Finden von eigenem Wohnraum für Klientinnen 
  • Gesteigertes Bewusstsein der Klientinnen über ihr eigenes   Trauma, Traumafolgen und den Umgang damit
  • Entwicklung des Konzepts „Online-Kuchenlieferservice als Social Business“
  • Treue beständige Unterstützer
  • Entwicklung der Social-Media-Präsenz
  • Weiterentwicklung der Mitarbeiter*innen durch verschiedene Fortbildungen

Dank

                 ,,Wenn wir fröhlich geben und dankbar annehmen, ist jeder gesegnet. "   

     - Maya Angelou

Frauen kommen zu Pink Door auf der Suche nach einer neuen Lebensperspektive.  Es ist ein großes Privileg für uns, sie dabei zu begleiten!

 

Unsere Errungenschaften des Jahres 2020 gehören nicht nur unseren Mitarbeiter*innen, sondern auch euch allen! Danke, das ihr auf so viele verschiedene Arten großzügig gespendet habt.

 

Wir sind dankbar für alle, die in diesem Jahr in Pink Door investiert haben: Mitarbeiter*innen, Freiwillige, Vorstandsmitglieder, Vereinsmitglieder, Gemeindegruppen und alle, die uns durch Gebet und finanziell unterstützen.

 

 

Fotos von:

Pink Door Mitarbeiter

Pink Door Klientinnen

Hannah Zint

unsplash.com






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